Männer, die Frauen einfach Scheiße finden

Seit ich selbständig bin, gebe ich viel Geld für Rechtsanwälte aus. Ich meine damit nicht die normalen Rechnungen, wenn man sich zu einer Unternehmensform beraten lässt, einen Arbeitsvertrag verhandelt oder im Notariat seinen Firmensitz verlegt. Das ist der Standard, um den es hier überhaupt nicht geht. Es geht auch nicht um Falschparken, Schnellfahren oder Macken an Autos. Es geht an dieser Stelle um Männer, die Frauen einfach Scheiße finden.

Ich habe lange gezögert, diesen Text zu schreiben, weil ich sehr viel mehr wirklich gute Männer kenne, die mir tagtäglich nichts zuleide tun, die ich mag oder auch nicht, die aber jedenfalls einen zivilen Umgang mit mir haben. Die, und auch das gehört zur Wahrheit, oft die besten Gefährten sind gegen die anderen. Jeder Text, den man über die relativ wenigen Arschgeigen schreibt, setzt die vielen anderen, guten Typen irgendwie mit unter Verdacht. Das passt mir an den meisten Veröffentlichungen zu dem Thema nicht.

Denn struktureller Gewalt an Frauen kommt man durch die Verachtung von Männern nicht bei. Eher dadurch, dass man dazu nicht immer schweigt, sei es aus Verlegenheit, sei es, weil es einfach kein schönes Thema ist. Deswegen ein paar Geschichten von mir.

Bevor ich mich selbständig machte, lebte ich zum Beispiel in Hamburg und fuhr abends oft allein in der U-Bahn. Ich wohnte in keiner Villengegend, und trotzdem erinnere ich nicht, mich jemals bedroht gefühlt zu haben. Ich lebte auch einmal in Südfrankreich und reiste dorthin im Nachtzug. Es war ungefährlich, trotz oder gerade weil Fremdenlegionäre von Strasbourg über Lyon nach Arles oder Marseille gondelten. Sehr langsam, man hätte zur Not wahrscheinlich aus dem Fenster klettern können. Aber da war keine Not.

Ich lebte schließlich etliche Jahre in Berlin-Wedding und fuhr dort viel mit dem Fahrrad herum. Das ist schon eine ganze Weile her; vielleicht geht es dort inzwischen anders zu. Nur: Von heute besehen, bestand das größte Sicherheitsrisiko für mich darin, dass ich für einen Fahrradhelm zu eitel war.

Ich kehrte dann zurück nach Ostwestfalen und, nein, ich bin in keinem Bus zu irgendeiner Zeit, von keinem Taxifahrer, auch nicht allein in der Buchhandlung bedroht worden. Ich könnte spekulieren, ob es wohl an meiner Körpergröße liegt, an meiner gut trainierten Streitfunktion, und – nee, lieber nicht. Ich will das gar nicht beschwören, damit es bitteschön einigermaßen sicher bleibt.

Die Aggression kam tatsächlich nie zur Tür herein. Die Aggression war immer feige. Sie schickte Briefe, redete herum und ließ agieren. Die Aggression entstand meist, wenn ich deutlich geworden war.

Ich machte mich etwa einmal darüber lustig, viele Jahre her, dass Mitglieder der FDP häufig Porsche fuhren, während ich (damals auch Mitglied dieser Partei) morgens im Linienbus von Werther nach Borgholzhausen kam. Eine Person am Ort, die sowohl so ein Auto fuhr als auch parteiinterne Ambitionen hegte, rastete schier aus. Erwog eine Anzeige, erstattete sie angeblich doch nicht, aber ob das stimmt? Er redet sich bis heute schön, dass er verzichtet habe. Ich glaube, welcher Polizeibeamte auch immer wird ihm einen Vogel gezeigt haben.

So auch jetzt wieder. Eine Person, die Corona eher harmlos findet, jedenfalls harmloser als mich, nämlich: Die Bergmann. Diese Person hatte nun auch wieder das Recht zu nutzen versucht. Ich kam zufällig dahinter, und natürlich genügt es zu gar nichts Strafbarem, wenn die Buchhändlerin am Ort sich mit ihrem Heimatverein solidarisiert, der von überreizten Figuren am rechten Rand unterwandert wird.

Was soll daran strafbar sein, aus der Tradition der Heimatvereine abzuleiten, diese müssten nicht zwangsläufig von Männern geleitet werden, die erkennbar mehr Testosteron als Sauerstoff im Oberstübchen haben? Man sieht das am Verkrampfen, am roten Kopf, an der Verknotung der Figur und ihrer Argumente. Es gibt solche Menschen; sie sind notorisch unentspannt, was mir auch immer Leid tut. Aber deswegen kann man natürlich nicht akzeptieren, was sie tun und reden. Furchtbar, diese Leute!

Ein dritter fällt mir gerade ein, der gefiel sich darin, jede neue Aushilfe bei uns mit der Formel zu begrüßen, auch sie tauge garantiert gar nichts. Wie all ihre blonden Vorgängerinnen. Was schon in der Sache ein Quatsch ist, weil die einzige tatsächlich blondhaarige Aushilfe jemals ein junger Mann gewesen ist. Ich beschied jedenfalls diesen Herrn, er möge künftig die Firma Amazon unterstützen. Er grüßt mich seither nicht, er wechselt oft die Straßenseite, wenn wir uns begegnen.

Ausnahme: Jemand schenkt ihm einen Gutschein meiner Firma. Dann geht das kurz und knapp, denn vierzehn Euro fünfundneunzig sollte man nicht liegen lassen. Vielleicht werde ich ihm das nächste Mal sagen, nee, sorry. Ich erstatte den Betrag dem Frauenhaus. Aber Sie und ich, das wird nichts mehr.

Ein vierter, letzter, denn ich wollte ja keinen Text rein gegen Männer schreiben. Aber dieser jedenfalls, dem ich einmal Geld schuldig blieb, als ich echt keins hatte. Sehr lange her, und ich wusste sofort, es ging eben nicht ums Geld. Es ging darum, dass er vorgeschlagen hatte, ich möge den Saldo anders abtragen, ich wüsste schon. Wir standen dort, wo ich damals wohnte. Kirchplatz in Halle, ein finsterer Eingang nach hinten zur Kirche. An einem Abend im November klingelte es an der Tür, ich ging die Treppen runter, ich weiß noch, ich trug ein Kleid aus Kaschmir mit Rollkragen, in beige. Die Person, die ich nicht so schlecht kannte, die stand da eben. Musterte meinen Körper, taxierte, unterbreitete den Vorschlag, legte eine Hand an meinen Busen. Rechts, ich weiß es noch genau.

Und ich hob mein Knie.

Fast zehn Jahre her ist das her. Drei Häuser weiter eine Kneipe, die ich stürmte, um zu berichten. Das machte mich frei, und daher habe ich kein Trauma. Womöglich sogar Respekt von einigen der anderen, die sich das anhören mussten. Der Typ war jedenfalls weg. Und lange. Ich hatte sein Geld nicht vergessen, aber ich wunderte mich, dass da nie mehr was kam.

Dann doch. Als ich fürs Fernsehen gebucht war, für diese Talkshow über Heinrich und Martha, schrieb mir ein Anwalt, es sei beauftragt worden, meine Reisekosten zu pfänden, und auch das Honorar des Fernsehsenders. Wenn irgend möglich, solle der Auftritt verhindert werden. Es kam so nicht; es ist nicht an dem, dass drittklassige Anwälte vom Land in überregionalen Redaktionen ernst genommen werden. Ich rief ihn aber an, nochmal danach, und fragte:

Der hasst mich, oder? Der Anwalt war ehrlich. Nicht nur Sie, sagte er. Sie schon besonders. Aber der hasst Frauen allgemein. Das war der Moment, als ich lernte, es ist eben nicht Martina Bergmann mit der Räuberschnauze, Abteilung: Wer austeilt, muss auch einstecken können. Es sind genauso wenig Männer insgesamt. Aber es gibt eine bestimmte Sorte, die hat die innere Biochemie nicht unter Kontrolle. Ob es die Gene sind, Erziehung, eine Glaubensart, von allem etwas oder noch was anderes? Der sprichwörtlich zu kurze Schwanz?

Ich weiß das nicht. Ich weiß nur inzwischen, es gibt eine Sorte Mann, die muss man sich vom Leibe halten. Rechtsanwaltlich, strafjuristisch. Dafür gebe ich Geld aus; viel zu viel nach meiner Meinung. Aber ich kann mir das leisten. Nur: Kann das jede? Denn Männer, die Frauen richtig Scheiße finden, suchen sich ihre Opfer überall. Vielleicht auch, weil zu wenig darüber gesprochen wird, weil aus Scham oft beschwiegen wird, was sehr viel mehr zur Polizei gehört als ein paar blöde Witze über teure Autos und kleinstädtische Ämter.

Seien wir laut und deutlich über Männer, die Frauen richtig Scheiße finden. Alles andere hilft echt nicht.

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