*eine Autobiografie/einen heiteren Roman über ihre Studienzeit/ein Grundlagenwerk zu irgendwas (oder alles in eins)
Statistisch betrachtet, müssten Frauen und Männer ungefähr gleich gut begabt sein, sich literarisch zu verhalten. Nämlich in der großen Mehrheit eher nicht. Das macht nichts, denn es erscheinen sowieso zu viele Bücher. Die viel zu vielen werden aber, je ambitionierter es zugeht, immer noch weit überwiegend von Männern verfasst. Es gibt Theorien, warum das so ist, und denen will ich gar nicht widersprechen. Sie sind ziemlich logisch. Den meisten fehlt aber eine Herleitung aus praktischer Erfahrung. Dazu kann ich beitragen, und eine Menge. Fast alles davon ist, objektiv betrachtet, mehr lustig als bedrohlich. Deswegen ist es der passende Text für einen langweiligen Novemberabend.
Der Anfang liegt in einer Zeit, als man Maschine schreiben ließ. Männer sprachen auf Band, und Frauen hörten sich das an. Sie machten einen Text daraus. Ich tat das auch, denn ich konnte sehr, sehr schnell Maschine schreiben. Das zählte mehr als mein wirklich gutes Abitur. Ich hatte den Ausbildungsplatz wegen der Noten. Aber ich wurde verwendet für Maschinenschrift. Etwas über zwanzig Jahre her, man reibt sich heute die Augen. Egal. Ich verschriftlichte also Bänder von jemand, der beim Diktieren aß, rülpste, sich unterbrach, eine Geliebte anrief oder das Delikatessengeschäft. Die Texte waren ungefähr so kohärent wie heute eine WhatsApp-Sprachnachricht. Generationen von Frauen redigierten die Geräusche aus den Briefen des Lektors, eine Lebensarbeitszeit entlang. Ich war zufällig die letzte. Als ich, wiederum Jahre später, dies beiläufig erwähnte, sinngemäß: Hahaha. Wie lustig. Wenn das irgendjemand wüsste. Als ich das also sagte, durchaus freundlich, endete unser Gespräch. Wir haben uns nie wieder gesehen.
Ein anderer, eine Person, die sich unbedingt auf rund eintausend Seiten zu ihrem eigenen Leben, zu einem Hergang von bewunderungswürdiger Durchschnittlichkeit (Schulbesuch, Fußballspiel, Bundeswehr, Studienabschluss, Reihenhaus, Verehelichung mit zwei Nachwüchsen, die dies artig wiederholen) verhalten musste, erwähnte auch, er habe den ersten Sohn nach dem Verzehr von Grünkohl mit Mettwurst gezeugt. Ich riet, als Textbearbeitende, diese Information doch im Interesse der Enkel privat zu halten. Die Person war nicht einverstanden. Egal. Das Buch floppte so sehr, dass es ohnehin kaum jemand zu lesen bekam. Die Person regte sich maßlos auf, mit weiteren Seiten endlos öden Gefasels. Ich dachte, Rache ist in diesem Fall nicht Blut-, sondern Mettwurst. Der Tag wird kommen, an dem ich hierüber Witze mache. Es ist Donnerstag, 19. November 2020.
Dann begab es sich, dass jemand während einer Lesung siebenmal mein Handy anrief. Eine Lesung von mir, wohlgemerkt. Es saßen etwa 90 Personen im Publikum. Jemand störte mit seinem Geklingel also echt viele Menschen. Ungehört, stellte er dann SMS des Inhalts zu, sein Ruhm als Autor sei durch mich gefährdet. Durch alles, was ich selber schreibe. Sehr bezeichnend. Dieser sogenannte Autor ist nämlich gar keiner. Er hatte mir Texte seiner lange verstorbenen Mutter überantwortet, die ich echt gut finde. Aber sie sind von ihr und nicht von ihm. Möge sie ihm von ihrer Wolke eins hinter die Ohren geben. Ich kann’s schlecht selber tun, denn ich wechselte die Handynummer. Der sogenannte Autor wandte sich, Klassiker, an Papa Bergmann. Das ist die einhundertprozentige Garantie, von uns beiden nicht länger für voll genommen zu werden. Papa Bergmann verlegt Rohre. Ich verlege Bücher. Babyeinfach zu behalten. Es sei denn, man ist so eitel, dass man sonst nichts mitbekommt.
Von Verlegerin zu Verleger erzählte ich ihm nun gerade gestern eine neue Episode aus der Umlaufbahn der Eitelkeit. Das Heimatheft. Jemand, sagte ich, also dieser jemand, dem wir Bargeld im Briefumschlag schicken mussten, weil – was weiß ich. Künstler sind mitunter so, man muss es nicht alles immer verstehen. Also dieser jemand, der alles besser kann und weiß als wir, jemand plagiiert das Heimatheft. Der Dicke?, fragte Papa Bergmann. Dicke Männer fressen einem alles weg, wenn man nicht aufpasst. Gut, meinte ich. Stimmt in dem Fall tatsächlich. Würde ich aber nicht zum Gesetz erheben. Ich würde eher von Eitelkeit sprechen, von Narzissmus womöglich. Papa Bergmann motzte sich was zurecht über studierte Fremdwörter; ein Lieblingsthema von ihm und eine andere Geschichte.
Es ging in der Sache jedenfalls um das Heimatheft. Ein Format, das ich aus guten Gründen digital verborgen halte. Darunter: Zielgruppe faxt. Und: Zielgruppe gebraucht einen Filter, der Begriffe und Ideen entfernt, die Friedrich Merz gefallen. Die Filterin schreibt diesen Text. Für die von Papa und mir jeweils sehr geliebten Heimathefte konnte der Bargeld-Künstler immer nur Hohn und Spott erübrigen. Völlig unter seinem Niveau. Und jetzt macht der das auch! Und ich stelle mir vor, wie er schon an der Silbentrennung scheitert. Wie in all den Umbrüchen, die ich über Jahre noch und noch einmal durchsehen musste. Wer Silbentrennung nicht kann (Gehör! Duden!), wird relativ sicher mit der Kernzielgruppe Heimatheft überquer kommen. Denn Duden können sie. Schreiben, na ja. Die sind aber auch die einzigen, die das von sich gar nicht erst behaupten.
Unterm Strich, in vier nahezu beliebigen Episoden: Es gibt zu viele schlechte Texte von unbegabten männlichen Autoren, weil fast keine Frau im Hintergrund sich traut, aus ihrer Werkstatt zu berichten. Und auch, weil mir in vielen Jahren rund um die Bücher so gut wie keine in ihre Zeilen übermäßig verliebte weibliche Person begegnet ist. Ich denke schon den ganzen Abend darüber nach, aber es fällt mir keine ein. Es sind einfach immer und immer und immer wieder eitle Männer, aus denen die Worte quellen wie Hackfleisch aus dem Drehwolf. Frauen (und begabte Männer) sollten ihnen deutlicher sagen: Geh doch bitte den Rasen mähen oder streiche das Gartenhaus. Das kannst Du wirklich gut. Literatur, nicht so. Das wird nichts, auch nicht mit Gewalt. Das wird nur schrill und albern und ist ästhetisch ungefähr so ansehnlich wie Gedacktes halb und halb.
Damit ist dieser Artikel erst einmal zu Ende. Ich bemerke, über Gedichte ist noch nichts gesagt. Den dazu erforderlichen Eintrag kann ich nur betrunken verfassen. Sonst schlage ich meinen Computer zu Bruch. Der Tag wird aber kommen.